5. August 2025 «Am Ende ist ein externer Dienstleister oft die bessere Wahl»


Die Migrationsexpertin Ildiko Kutasi der nag informatik hat schon viele gescheiterte Migrationsprojekte gesehen. Kutasi erklärt, warum Unternehmen bei Datenmigration oft auf die falsche Karte setzen, wie sie rund 40 Prozent des Aufwands sparen können und was bei einer Firma eine Verzögerung von sieben Jahren verursachte.

Ildiko Kutasi kennt die Stolperfallen

Ildiko Kutasi kennt das Muster: Was als einfache Datenmigration beginnt, wird zunehmend zur Mammutaufgabe. Die Migrationsexpertin der nag informatik hat schon viele Unternehmen erlebt, die mit Excel-Tabellen und SQL-Statements starteten und am Ende überfordert waren.

Bei Migrationen gibt es unzählige technische Stolperfallen, in die IT-Abteilungen bei Migrationsprojekten treten können. Leider mit langfristigen Folgen. Kutasi vom Migrations-Team der nag informatik hat jahrelange Erfahrung darin, Unternehmen bei ihren Systemwechseln zu begleiten. Sie hat das Buch «Herausforderung Migration» mitgeschrieben und problematische Situationen geschildert. Sie weiss, wie Stolperfallen zu umgehen sind. Die technischen, aber auch die menschlichen.

«Besser ist es, wenn von Anfang an richtig gearbeitet wird»



Gleich zu Beginn im Buch wird ein Versicherungsunternehmen beschrieben, bei dem die Migration zur «gewaltigen Herausforderung» wurde. Was ist da schiefgelaufen?


Ildiko: Ja, im Buch ist ein fiktiver Fall beschrieben, aber wir haben das tatsächlich so erlebt. Unternehmen, die die Komplexität unterschätzen. Sie dachten mit ein paar Excel-Tabellen und ein paar SQL-Statements sei es gemacht. Aber bei solchen Projekten werden die Anforderungen erst mit der Zeit komplexer. Plötzlich werden die SQL-Statements immer länger, unübersichtlicher und fehleranfälliger. Dann kommen noch unvorhergesehene Sachen dazu, wie alte Verträge, die niemand auf dem Schirm hatte. Am Ende ist die IT mit dem alten System beschäftigt, versucht das neue aufzubauen und muss zudem noch migrieren. Das ist zu viel.


Was macht ein Migrationsexperte, wenn er zu diesem Zeitpunkt um Hilfe gebeten wird?


Solche Fälle sind natürlich Worst-Case-Szenarien – aber sie kommen leider vor. Wenn man in so eine Situation gerufen wird, ist der erste Schritt: analysieren. Besonders bei fehlerhaften Daten müssen wir herausfinden, woher sie kommen. Was genau ist schiefgelaufen? Fehlen Daten aus einem Quellsystem, weil sie bei der Extraktion falsch selektiert wurden? Oder wurden Spezifikationen falsch umgesetzt?

Dann muss man prüfen, ob und wie sich die Daten nachträglich einspeisen lassen – entweder über Seiteneingänge im Zielsystem oder durch technische Workarounds. Dabei arbeiten wir eng mit den Fachbereichen, der Projektleitung und den Quellsystem-Experten zusammen. Es gibt kein Standardrezept – jedes Problem muss individuell gelöst werden.

Aber in der Regel ist es viel teurer und schlechter, wenn eine Migration schon so schiefgelaufen ist. Besser ist es, wenn von Anfang an richtig gearbeitet wird.


Was macht das Nacharbeiten so viel mühsamer als eine saubere Migration von Anfang an?


Stell dir vor, während der Migration wird beispielsweise ein Steuerungs-Flag falsch gesetzt – und im Zielsystem kann man es im Nachhinein nicht mehr ändern. Dann lassen sich bestimmte Prozesse gar nicht mehr ausführen, etwa bei einem Versicherer, wenn der Kunde auf bestimmte Leistungen keinen Zugriff hat. Das ist fatal.

Ein anderes Beispiel: Wenn die Berechnungslogik im neuen System leicht abweicht und nicht sauber getestet wurde, können schon bei der nächsten Beitragserhebung Abweichungen auftreten – und das kostet Vertrauen und Geld.

Solche Fehler nachträglich zu beheben, ist extrem aufwendig. Vor allem, wenn sie viele Datensätze betreffen. Bei drei Verträgen kann man noch manuell eingreifen. Bei 1.700 wird das unmöglich.


Was kann eine IT-Abteilung machen, damit es nicht so weit kommt?


Grundsätzlich ist es eine gute Idee frühzeitig Experten hinzuzuziehen. Das heisst nicht, dass die Migration dann ausschliesslich von einer externen Firma umgesetzt wird. Wir haben die besten Erfahrungen mit gemischten Ansätzen gemacht. Das heisst, dass wir als externe Dienstleister Wissen und erprobte Vorgehensmodelle einbringen. Wir haben schon viele Migrationen umgesetzt und dieses Praxiswissen haben die IT-Abteilungen üblicherweise nicht inhouse. Es wäre auch viel zu teuer, dieses aufzubauen für nur eine Migration in zehn Jahren. Das interne Wissen über Quellsysteme und Datenstrukturen ist aber auch wichtig. Darum arbeiten wir eng mit unseren Kunden zusammen. Davon profitiert die IT-Abteilung unserer Kunden, denn so können sich die Teams trotzdem weiterentwickeln und wissen genau, wie wir die Migration umgesetzt haben.


Damit meinst du das Vorgehensmodell. Wie sieht das bei der nag informatik aus?


Wir legen grossen Wert auf Scoping und Produktmapping. Es geht dabei darum, genau zu definieren, was wohin migriert wird. Sonst passiert, was wir "Scope Creep" nennen. Das Projekt bläht sich auf wie ein Hefeteig, und die Kosten explodieren. Beim Scoping schätzen wir ab, wohin die Reise geht und was wir mitnehmen müssen. Stell dir vor, du bist eine Schweizer Versicherung und hast ein Produkt wie "Vollkasko", das kaum noch Verträge hat. Macht es Sinn, das ins neue System zu schleppen? Nein! Da kann man Verträge kündigen oder ersetzen und Ressourcen sparen. Oder historische Daten nur für die letzten zehn Jahre migrieren statt für die letzten 50 Jahre, wie es die Datenschutzbestimmungen etwa die DSGVO fordern. Scoping spart enorm Aufwand und konzentriert die Ressourcen auf das Wesentliche.


Und was ist das Produktmapping?


Beim Produktmapping geht es darum, wie alte Produkte im neuen System abgebildet werden. Manchmal braucht es dafür kreative Migrationsprodukte als Übergangslösung oder man muss sehr alte, nicht kündbare Verträge manuell weiterverwalten. Das möchten wir aber möglichst vermeiden, weil es viel Aufwand generiert.


Ist das nichts, was die IT-Abteilung selbst machen kann?


Grundsätzlich schon, aber solche Projekte werden schnell unterschätzt. Das Resultat ist oft Schlafmangel und Überforderung. Die IT muss gleichzeitig das alte System am Laufen halten, das neue System implementieren und auch noch die Migration selbst planen und durchführen. Auch wenn du die Wartung des Altsystems auf Minimum reduzierst. Externe Migrationsdienstleister entlasten dein Team enorm. Wir können aus unserer Erfahrung sagen, dass unsere Prozesse und Tools das Risiko von Projektverzögerungen massiv reduzieren. Und die benötigten Kapazitäten ändern sich dynamisch im Projektverlauf; in späteren Phasen, wenn bereits viel wiederverwendet werden kann, sinkt der Aufwand für unsere Kunden um 40 bis 60 %. Am Ende ist ein externer Dienstleister immer günstiger, als wenn der Kunde selber migriert.

«Bei nag nxT greift alles ineinander»


Wie kommt das?


Eben wegen der Strategien, Erfahrungen und der Tools der Migrationsspezialisten. Wir schätzen, dass der Kunde so 39 % an Projektkosten einspart. Bei der Datenanalyse mit unserer Tool-Suite nag nxT können wir bis zu 80 %, bei der Implementierung von Transformationsregeln bis zu 50 % Aufwand sparen. Das ist ein Brocken. Unsere Software arbeitet echt super.


Was macht nag nxT besser als andere Software für Migrationen?


Bei nag nxT greift alles ineinander. So werden Fehler minimiert. Das spart viel Zeit und Kosten. Die Alternative sind verschiedene kleinere Tools, die wir uns je nach Funktion zusammensuchen müssen. Es ist besser, ein fertiges Set zu kaufen, als Einzelteile zusammenzubasteln. So passt alles und gehört zusammen. Unsere Tool-Suite ist speziell für die Komplexität von Migrationen entwickelt. Sie automatisiert zahlreiche Aufgaben und schafft effiziente Arbeitsabläufe. Und wir können sie für alles einsetzen: Von der Datenanalyse über die automatische Codegenerierung für Migrationsregeln bis hin zu Test- und Debugging-Tools und Reporting.

«Oft sind die Quelldaten schlechter als gedacht»



Bei der Migration kann Unvorhergesehenes passieren. Im Buch schreibt die nag von unerwarteten Eisbergen, die auf hoher See plötzlich auftauchen. Was sind die häufigsten Eisberge, die ein Migrationsprojekt versenken können?


Da gibt es einige Klassiker. Unklare Datenqualität ist ein Riesending. Oft sind die Quelldaten schlechter als gedacht, unvollständig oder inkonsistent. Dann unzureichende Ressourcenplanung – hatten wir schon. Technische Komplexität durch viele Umsysteme, die miteinander reden müssen. Mangelnde Kommunikation zwischen Teams ist ein Dauerbrenner. Und ganz wichtig: regulatorische Anforderungen. Ein Fehler hier kann teuer werden. Und dann natürlich eine ungenügende Einführungsplanung – man muss den "grossen Tag" mit einer Generalprobe üben, sonst gibt es Überraschungen. Risikomanagement mit beispielsweise einer Matrix hilft uns, diese Eisberge frühzeitig zu identifizieren und zu kategorisieren, damit wir schnell reagieren können.


Im Buch schreibt ihr noch von anderen Faktoren, die Migrationen zum Scheitern bringen können. In einem Beispiel erzählt ihr von einem Fall, bei dem interner Widerstand ein Projekt sieben Jahre lang blockiert hat.


Ja, du kannst die beste Planung und die besten Tools haben, wenn die Leute nicht mitspielen, scheitert es. Migrationen sind mit Veränderung verbunden und da ist Widerstand normal. In diesem Fall hat eine Gruppe Mitarbeitenden, die eine alte Software behalten wollte, das Projekt so torpediert, dass es gestoppt wurde. Für sieben Jahre. Wir haben leider schon alles erlebt: Mitarbeitende, die absichtlich Meilensteine verpassen, Schlüsselpersonal, das sich nicht zurückmeldet, negatives Gerede oder sogar eine "Wir gegen die"-Mentalität. Das ist keine Bösartigkeit, oft ist es Verunsicherung oder Angst, sich selbst überflüssig zu machen.


Was kann die nag in solchen Situationen beitragen?


Wir können vor allem dann helfen, wenn wir die Projektleitung für die Unternehmen und damit eine Führungsaufgabe haben. Um solche Situationen zu vermeiden, setzen wir auf empathische Führung. Wir bauen Brücken, suchen persönliche Gespräche und zeigen Perspektiven auf. Ein anderes Mal haben wir mit einem zweisprachigen Projektleiter kulturelle und sprachliche Missverständnisse ausräumen können. Für mich sind transparente Kommunikation und das Gewinnen von Vertrauen der Schlüssel. So können wir Akzeptanzprobleme frühzeitig erkennen und lösen. Die Menschen müssen mit migrieren.


Migrationen klingen tatsächlich nach einer grossen Herausforderung. Was reizt dich an dieser Arbeit?


Jede Migration ist ein Unikat. Ich arbeite seit 2009 in Migrationsprojekten – und kein Projekt war wie das andere. Selbst wenn Quell- und Zielsysteme gleich sind, ist es immer wieder anders: wegen der kundenspezifischen Daten, Prozesse, Strukturen.
Ich vergleiche das oft mit einem Umzug: Man zieht aus einem alten Haus aus, nimmt nur das mit, was man wirklich braucht, und sortiert aus. Alte Ordner? Weg. Erinnerungsstücke? Vielleicht ja. Und wenn man dann das neue Haus betritt, ist es sauber, modern, bereit für die Zukunft. Das macht Freude.


Also ein bisschen wie digitales Aufräumen?


Ganz genau. Man schafft etwas Neues, sorgt für Struktur, vermeidet Altlasten – und hilft Unternehmen, digital wirklich weiterzukommen. Das ist es, was mich antreibt. Auch wenn es manchmal mühsam ist – die Freude am Aufräumen und am Neuesschaffen bleibt.


Vielen Dank für das Gespräch.

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Ildiko Kutasi
Senior Data & AI Engineer

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